Abschrift eines Artikels in den NÜRNBERGER NACHRICHTEN vom 27.02.2004

Erst im Familienbetrieb geschuftet und dann auch noch bestraft

Mitarbeitende Angehörige stehen oft ohne Schutz gegen Arbeitslosigkeit da, obwohl sie jahrelang in die Versicherung eingezahlt haben

Der Schock kam mit der Post der Bundesagentur für Arbeit: Kein Arbeitslosengeld für die Ehefrau eines Handwerkers, die jahrelang im Betrieb ihres Mannes mitgearbeitet und die Buchhaltung erledigt hatte. Sozialversicherungsbeiträge waren vor der Pleite des Unternehmens nicht zu knapp gezahlt worden, doch die Bundesbehörde berief sich darauf, dass es sich um ,,familienhafte Mitarbeit" handele - und die wird, wenn es ungünstig läuft, im Versicherungsfall ganz anders behandelt als ein normales Angestelltenverhältnis.

Warum mitarbeitende Familienangehörige oftmals ohne Absicherung gegen Arbeitslosigkeit dastehen und meistens nichts davon wissen, hängt mit den verschiedenen Zuständigkeiten im Sozialversicherungssystem zusammen. Die Krankenkassen ziehen für alle Versicherungsarten (also Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) die Beiträge ein und legen fest, wer überhaupt sozialversicherungspflichtig ist. Die Bundesagentur für Arbeit, die bei Arbeitslosigkeit zahlen muss, ist an diese Entscheidung allerdings nicht gebunden.

Schließlich handele es sich, so die Begründung, bei der Mitarbeit eines Familienmitglieds nicht um ein 08/15-Arbeitsverhältnis. Mehrarbeit, auch an Sonn- und Feiertagen, eine herausgehobene Position im Unternehmen (beispielsweise wenn die Ehefrau die Buchhaltung erledigt), selbstständige Entscheidungen oder eigenes unternehmerisches Risiko (dafür reicht es schon, wenn die Ehefrau mit ihrer Unterschrift neben ihrem Mann für einen Betriebskredit bürgt) sind Indizien, um das Familienmitglied auch noch nachträglich als nicht sozialversicherungspflichtigen Selbstständigen einzustufen.

Die Folgen können fatal sein: Nicht nur die Arbeitslosenversicherung und jede Menge gezahlte Beiträge können damit verloren sein, sondern auch die Absicherung gegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit. Die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung leisten aber auf jeden Fall.

Wer sich gegen unliebsame Überraschungen wappnen will, sollte bei der Krankenkasse einen Feststellungsbescheid über die Sozialversicherungspflicht beantragen. Damit kann dann bei der Bundesagentur wiederum ein Zustimmungsbescheid erwirkt werden, in dem die Behörde klarstellt, dass sie der Entscheidung der Kasse zustimmt. Dieser Bescheid bindet die Bundesagentur für fünf Jahre.

Lohnender Ausweg

"Ab etwa 1800 Euro Einkommen macht es allerdings auch Sinn, das Familienmitglied aus der Sozialversicherungspflicht rauszuholen", zeigt Bodo Kleber von der Nürnberger Finanzberatungsgruppe Magus eine weitere Möglichkeit für den Umgang mit dem Dilemma auf. Denn wer in den Augen der Arbeitsverwaltung nicht sozialversicherungspflichtig ist, kann natürlich versuchen, diesen Status auch für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erhalten, um sich auf diese Weise die oft wenig rentablen Beiträge zur gesetzlichen Vorsorge zu sparen.

Die Mühen des komplizierten und mit zahllosen Fallstricken versehenen Verfahrens können sich durchaus lohnen: Die fälschlich bezahlten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung werden zurückerstattet. Und obwohl dies bei der Arbeitslosenversicherung nur für die letzten vier Jahre geht, kann der Betrag durchaus einige Tausend Euro ausmachen.

Interessant kann die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht auch für die rund 630.000 Geschäftsführer von GmbH's in Deutschland sein. Diese werden regelmäßig, sofern sie nicht mehr als 50 Prozent der Geschäftsanteile halten, als abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig eingestuft. Wer es allerdings schafft nachzuweisen, dass er ein unternehmerisches Risiko eingegangen ist und eigenverantwortlich arbeitet, kann mit ordentlichen Rückzahlungen rechnen.

Vorher prüft die Krankenkasse allerdings ein ganzes Bündel von Indizien. Bodo Kleber rät daher dringend davon ab, den "Befreiungsversuch" auf eigene Faust, ohne mit der Thematik vertraute Berater und Rechtsanwälte, zu starten...
ARMIN JELENIK