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10 Jahre später:
Was würde ich heute anders machen?

In Polen, den baltischen Staaten und in Nordrussland hat in den letzten 10 Jahren nach Allem was man hört eine stürmische Ent­wick­lung stattgefunden. Manches aus dem Bericht von der Reise im Sommer 2001 dürfte deshalb heute nicht mehr zutreffen. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass sich die Menschen in den genannten Ländern grundlegend verändert haben. Die bei uns herrschenden Vorurteile gegenüber "dem" Osten werden deshalb heute genauso wenig zutreffen wie vor 10 Jahren. Diebstahl und Willkür von Amtspersonen ist in ländlichen Gegenden dort genau so selten wie bei uns.

In Russland war mir vor 10 Jahren besonders aufgefallen:
- das sportlich-kameradschaftliche Verhalten der (seltenen) Polizisten gegenüber einem Radreisenden
- die oft anzutreffende, herzliche und uneigennützige Fürsorge der älteren Frauen
- die vielen jüngeren Leute, die recht arbeitsam sind wenn sie sehen, dass ihre Bemühungen nicht sinnlos sind
- und die leider immer wieder anzutreffenden betrunkenen älteren Männer, bei denen man sich besser vorsichtig zurückhält

Ggf. würde ich für die Anreise zum Nordkap jederzeit wieder die gleiche Strecke über Russland wählen. Wegen der klimatischen Bedingungen (sehr kalt im Winter, sehr heiß im Hochsommer und stauende Nässe wegen dem in 2 m Tiefe permanent gefrorenen Boden) und weil die Steuereinnahmen immer noch der wirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinken, darf man dabei nicht mit wesentlich besseren Straßen als vor 10 Jahren rechnen. Mit einem Rennrad oder mit ganz schmalen Reifen würde ich auch heute noch nicht auf diese Strecke gehen.

Auf dem Rückweg durch Norwegen würde ich allerdings heute bei dem Abzweig nach Tromsö die E6 verlassen. Vom Nordkap bis zu dem Abzweig gibt es keine Alternative zur E6. Bis dorthin ist auch der Verkehr relativ schwach. Dann aber nimmt er immer mehr zu. Die Straße bleibt dabei weiterhin nur so breit, dass sich begegnende LKW und Busse gerade noch zügig aneinander vorbeifahren können. Die Straße ist aber kurvenreich und hat keinen Randstreifen. Wenn ein Radfahrer auftaucht, wird es ganz schnell lebens­gefährlich (für den Radfahrer). Ich habe solche Situationen mehrmals erlebt und bin schließlich auf der E6 fast nur noch nachts gefahren. Das geht im Gebiet der Mitternachtssonne. Später aber nicht mehr.

Kleine Nebenstraße Unser Sohn (Ende 20) ist im Sommer vor vier Jahren zunächst nach Kirkenes geflogen (einmal wöchentlich LH-Direktflug ab München) und auf einem ähnlichen Weg wie ich zum Nordkap gefahren. Auf dem weiteren Weg nach Süden ist er beim Abzweig nach Tromsö abgebogen, auf einer Nebenstraße nach Tromsö und weiter über die mit Brücken und kleinen Fähren verbundenen Inseln dicht vor der Küste bis zu den Lofoten gefahren.

Von den Lofoten ist er mit der Fähre nach Bodö und dann entlang der Küste auf einer wieder sehr schönen kleinen Nebenstraße bis Mo Rana gefahren. Er ist dabei an Gletschern vorbeigekommen, die dort fast bis zum Meer reichen.

Ab Mo Rana benutzte er einige km die E6, weil er meinte, dass er dort schneller vorankommt - er wollte schließlich in den insgesamt vier Wochen noch runter bis Bergen und dann rüber nach Oslo. Wegen dem starken Verkehr auf der engen E6 ist er aber nach wenigen km wieder hinaus zu der kleinen Küstenstraße, die auch hier entlang der Fjorde und über die durch kleine Fähren verbundenen vor­ge­la­ger­ten Inseln führt - bis hinunter nach Trondheim. Als Radfahrer ist man damit kaum langsamer als auf der nervenaufreibenden und gefähr­li­chen E6.

Südliche Fjorde Von Trondheim könnte man auf der E6 direkt nach Oslo gelangen. Der Verkehr ist dabei auch hier wieder sehr stark. Man kann von Trondheim aber auch in Richtung Bergen weiter­fahren. Dabei werden die Straßen bald wieder ruhiger. Die Landschaft dort ist großartig (Geiranger und die anderen tief einge­schnitte­nen Fjorde). Die Pässe zwischen den Fjorden sind zwar oft über 1.000 m hoch. In Anbe­tracht der groß­artigen Landschaft lohnt sich die Anstrengung aber auf jeden Fall!

Wenn die Zeit wegen der langen Anstiege knapp wird, kann man vom Geiranger-Fjord auf Nebenstraßen bis Oslo oder von Bergen aus mit der Bahn nach Oslo fahren. Das ist in jedem Fall besser als auf der E6 von Trondheim nach Oslo.

 

Abschließend noch zwei Hinweise:

Norwegen ist wunderschön. Die Temperaturen sind im Juli und bis Mitte August meist mild und angenehm. Die Temperatur-Unterschiede zwischen Tag und Nacht sind gering. Aber es regnet relativ oft. Nehmen Sie deshalb unbedingt gute, leichte und atmungsaktive Regenbekleidung mit (Jacke, Hose, Regenhandschuhe und Gamaschen). Gut bewährt hat sich dabei eine Kapuze unter dem Sturzhelm, die nicht(!) mit der Regenjacke verbunden ist. Bei einer mit der Jacke fest verbundenen Kapuzen sieht man nichts mehr, wenn man zur Seite oder nach hinten schaun will!

Anders als in Norwegen war das Klima in Russland deutlich kontinentaler. Wie mir die Einheimischen erzählt haben, fällt im Mai oft noch Schnee, im August wird es höllisch heiß und im September schneit es schon wieder. Nördlich vom Onega-See, wo die Sonne im Sommer nachts ebenfalls ein gutes Stück über dem Horizont bleibt, sind die Nächte ab Mitte Juni nicht mehr kalt und tagsüber war es im Juni noch nicht zu heiß. Richtig gefroren habe ich auf meiner eigenen Tour 10 Jahre zuvor nur in den Nächten Ende Mai in Polen, Letland und Litauen.

Geeignete Karte: MarcoPolo Autokarte 1:850.000 Skandinavien (Blatt 1 >Süd, Blatt2 >Nord), ISBN 978-3-8297-3033-4

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