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Oslo, 28. Juli 2001 (teilweise nachträglich überarbeitet)

Viele Grüße aus Oslo, der Hauptstadt Norwegens.

Nun bin ich also das ganze lange Norwegen hinunter geradelt.

Nein, nicht das ganze. (Nach Südwesten sind es von hier aus nochmals 400 km oder mehr bis zum unteren Ende Norwegens, je nachdem welche der im Südwesten recht zahlreichen Täler und Pass-Straßen man nimmt. Es soll dort sogar besonders hohe Berge mit Gletschern und tief eingeschnittenen langen Fjorden geben. Einige Motorradfahrer, die ich im Norden traf, schwärmten von der Gegend bei der Stadt Bergen.)

Aber auch die Strecke, die ich nahm, war landschaftlich wunderschön und - abgesehen von einigen Abschnitten mit starkem Verkehr - gut zu fahren. Besonders in der nördlichen Hälfte beeindruckte der ständige Wechsel des Landschaftsbildes: 30 oder 40 km gewundene Küstenstraße an einem der Fjorden, dann einige km aufwärts in Tälern mit wild rauschenden, glasklaren Flüssen und vielen Wasserfällen, anschließend 10 oder 20 km über steppenartige Hochflächen (selten höher als 300 m) und dann wieder eine rasante Abfahrt durch waldreiche Täler hinunter zur nächsten Fjordküste.

Absolut berauschend wird die Fahrt dabei, wenn man die Nachtstunden nutzt; dann zaubert die tiefstehende Sonne fantastische Farben in die gewaltigen Wolkengebirge, die Berge glühen stundenlang im Abend-/Morgenrot und über das ganze spannt sich manchmal ein riesiger Regenbogen. Außerdem ist auf der E6 nachts nur wenig Verkehr.

Die E6 ist über weite Stecken unumgänglich, auch wenn man bereit ist, Umwege in Kauf zu nehmen. Oft ist es aber möglich, auf eine der angenehmeren Nebenstraßen entlang einer Fjördküste auszuweichen.

Die E6 entspricht einer kurvenreichen deutschen Bundesstraße und ist spätestens ab Narvik tagsüber recht stark befahren. (In einem der vielen Tunnel zwischen Narvik und Fauske hat mich an einem schönen Nachmittag dann auch gleich hinter der Tunneleinfahrt um ein Haar ein PKW mit Wohnanhänger erfasst, obwohl die  Norweger insgesamt viel rücksichtsvoller fahren als die Deutschen).

Auf den letzten 500 km von Trondheim (einer hübschen Stadt mit etwa 70 000 Einwohnern, einer attraktiven und lebhaften Innenstadt, einer Universität, etlichen kleineren Industriebetrieben und erträglichem Tourismus) bis 50 km vor Oslo führte der Weg durch eine ausgedehnte Mittelgebirgslandschaft mit tief eingeschnittenen Tälern, breiten rauschenden Flüssen (in denen viele Angler im hüfttiefen Wasser standen) und dicht bewaldeten Bergen links und rechts. Über etwa 80% der Strecke bestand hier die Möglichkeit, die stark befahrene E6 und die ebenso stark befahrene Reichsstr. 3 zu vermeiden und auf Radwege oder ruhige Nebenstraßen auszuweichen. Nachts wird es hier schon für 3 oder 4 Stunden richtig dunkel und in den teils breiten Tälern gibt es außer Wäldern auch Wiesen, Getreidefelder, einzelne Gehöfte mit in lebhaften Farben gestrichenen Gebäuden und ab und zu saubere Kleinstädte mit vielen Geschäften, Kaffees, Bibliotheken und freundlichen und aufgeschlossenen Menschen.

Oslo selbst ist eine sehr weitläufige große Stadt. Das geschlossene Siedlungsgebiet mit unendlich vielen Einfamilienhäusern in einer hügeligen und waldreichen Landschaft beginnt teilweise schon 30 km vor dem Stadtzentrum. Der Weg hinein nach Oslo führt durch ein Gewirr von sehr vielen breiten Straßen, oft gesäumt von weitläufigen Industriegebieten. Ich kam am späten Abend hierher und hatte immer noch große Probleme durchzufinden, weil die vielen Stadtautobahnen wie bei uns für Radfahrer gesperrt sind. Es gibt zwar auch Radwege, aber die sind (wie in den meisten deutschen Großstädten auch) oft unterbrochen und sehr schlecht ausgeschildert. Bei Tag und viel Verkehr muss der Weg nach Oslo hinein ein Horror sein.

Allerdings gibt es in Oslo nicht jene um das Zentrum verteilte Stadtviertel mit den mehr oder weniger schmutzigen Mietskasernen, die einen so deprimieren wenn man nach Prag, Riga, St.Petersburg oder auch in manche deutsche Großstadt hineinfährt.

Die City selbst ist bis zum späten Abend voller Menschen und erinnerte mich ein wenig an Düsseldorf. Eine Ansammlung von Wolkenkratzern oder Sehenswürdigkeiten von Welt-Geltung, wie etwa in Paris, London oder Kopenhagen gibt es in Oslo zwar nicht, aber sehr viele gut sortierte Geschäfte, Restaurants, Cafes, Grünanlagen gleich an der Fußgängerzone und in den Seitenstraßen und Grünanlagen haben viele der Restaurants und Cafes Tische und Stühle im Freien aufgestellt. Alles ist voller Menschen und die Stimmung ist sehr gut. Gleich neben dem Zentrum gibt es zwischen den beiden Hafenbuchten (eine für die großen Fähren nach Dänemark und Deutschland und eine für Motor- und Segelyachten) einen sehr schönen Park und nur 2 km südöstlich vom Zentrum auf dem Ekeberg ist ein großer Campingplatz mit herrlichem Blick auf die Stadt. Die Atmosphäre ist ganz anders als in den sonst eher gemütlichen norwegischen Provinzstädten. Auf dem Land sind die Leute viel gelassener, sie lieben die herrliche Natur, sind stolz darauf, dass nichts gestohlen wird und achten darauf, dass das auch so bleibt. In diese Idylle brachen 1941 die Deutschen ein als sie in das neutrale Norwegen einmarschierten. Ganze Provinzstädte wie Kirkenes, Honningswäg, Alta u.a. wurden durch massive Bombardements dem Erdboden gleich gemacht, einsame Gehöfte niedergebrannt und die Einwohner erschossen, weil sie angeblich Widerstandskämpfern Unterschlupf gewährt hatten. Der Schock für die Norweger muss schlimm gewesen sein, denn gerade die Deutschen genossen bis dahin große Sympathien. Die Norweger schätzen die Deutschen immer noch. Die Geschichte ist aber nicht vergessen und gegenüber dem Typ "Ballermann" reagieren die Norweger erkennbar zurückhaltend.

Abschließend noch etwas zu meiner Art des Reisens. In einer der e-mails, die ich von Freunden in der Heimat erhielt, wurde ein gewisses Interesse an einer Reise nach Norwegen geäußert - "aber nicht mit dem Radl!". Für mich ist diese Form des Reisens die interessanteste. Der Körper gewöhnt sich in den ersten 14 Tagen allmählich an die vielen Stunden im Sattel und auch das viele auf und ab auf den langen Strecken durch Norwegen empfand ich nicht mehr als Belastung. Geschundenes Sitzfleisch, eingeschlafene Handflächen oder verspannter Nacken sind kein Thema mehr. Dafür werden einem nach einiger Zeit neben den optischen Eindrücken auch die vielfältigen Gerüche und Geräusche in der Natur bewusst, etwas das man als Autofahrer überhaupt nicht kennt. Deprimierend sind nur zwei Dinge: Erstens wenn man schon mehrere Stunden im Regen fährt und der Regen scheinbar nie mehr aufhören will, und zweitens die ständige Anspannung auf einer stark befahrenen Straße ohne nutzbaren Seitenstreifen. Da hilft nur, dass man sich immer wieder daran erinnert, dass das alles am nächsten Tag wieder ganz anders sein wird.

Trotzdem, jedermanns Sache ist so eine lange Reise mit dem Radl wahrscheinlich nicht. Es soll deshalb hier auch auf andere Möglichkeiten hingewiesen werden, dieses wunderschöne Land zu bereisen. Eine deutsche Familie mit Wohnmobil (viele Deutsche sind hier mit eigenen oder gemieteten Wohnmobilen unterwegs) berichtete, dass sie schon zum x-ten Mal in diesem Land reisen, immer wieder in anderen Landesteilen. Sie glauben, dass Norwegen süchtig machen kann. Irgendwie kann ich ihnen das nachfühlen.

Das Einzige, wofür ich mich nicht erwärmen könnte, sind die in Deutschland gebuchten Pauschal-Kreuzfahrten entlang  der Küste hinauf zum Nordkap. Das liegt nicht an der phantastischen Landschaft links und rechts (das offene Meer sieht man nur sehr selten) und nicht an der Streckenführung durch Fjorde und vorbei an unzähligen Inseln und auch nicht an den abwechslungsreichen Zwischenstops in ursprünglichen Fischerstädtchen. Zudem sind die täglich verkehrenden Schiffe der ehemaligen Postdampferlinie Hurtigruten überaus luxuriös und geschmackvoll eingerichtet, vergleichbar einem erstklassigen Kreuzfahrtschiff. Die Pauschaltouristen (nicht die in- und ausländischen Einzelreisenden) sind hier aber auffällig oft vom Typ der arroganten Deutschen, die es als selbstverständlich ansehen, dass jeder in der ganzen Welt auf die in deutsch geäußerten Wünsche sofort reagiert. Sie können im Gegensatz zu den allermeisten Norwegern zwar oft nicht einmal englisch, mokieren sich bei ihren lauten Unterhaltungen quer über viele Tische aber ungeniert darüber, dass die Einheimischen dumm und ungebildet seien (unter anderem wollten sie auch noch den Fischern im Norden beibringen, wie die ihre Stockfische zu trocknen hätten). Das alles habe ich tatsächlich miterlebt und mich so geschämt, dass ich mit dem korrekten, höflichen und stets hilfsbereiten Schiffspersonal, das neben Englisch auch fließend Deutsch spricht, nur noch englisch redete.

Die Pauschaltouristen von den Hutigruten-Schiffen werden i.d.R. am Einstiegsort direkt aus Deutschland eingeflogen und am Ende der Reise direkt wieder zurückgeflogen. (International angeflogene moderne Flughäfen gibt es in Bergen, Trondheim, Tromsö, Honnigsweg und Kirkenes.) An Land trifft man Pauschaltouristen in Norwegen nur in Form der zahlreichen, meist deutschen Busreise-Gesellschaften, sonst nicht. Von der wunderschönen und so vielfältigen Natur Norwegens, seinem Wohlstand, seiner Kultur und den offenen und ehrlichen Menschen erfahren die Pauschaltouristen meistens nur wenig.

Wenn schon ohne Rad, dann würde ich mir so eine Reise individuell zusammenstellen, dabei einige gößere Etappen mit Hurtigruten zurücklegen und zwischendurch auch mal an Land übernachten. (Die Geldausgaben für eine Schiffskabine kann man sich dann u.U. sparen.) Man kann auf den Hurtigruten-Schiffen eventuell auch seinen PKW oder ein Motorrad mitnehmen. Die Mitnahme von Motorfahrzeugen kostet nicht viel mehr als das Benzin und die sonstigen Kosten der Fahrt auf der Straße.

Für die gesamte Strecke von Bergen bis Kirkenes benötigen die Hurtigruten-Schiffe eine Woche, zurück genauso lang. Täglich startet ein neues Schiff in Bergen. Wer die ganze Strecke bucht, wird sinnvollerweise eine Kabine mit buchen. Wer nur eine oder zwei Nächte durchfährt und bereit ist, auf den Hotel-Komfort einer eigenen Kabine mit Dusche & WC zu verzichten, kann aber auch problemlos auf den dicken Teppichen und Sofas in einem der großen Salons in der obersten Etage nächtigen. (Weitere Infos und Adresse zum Anfordern der aktuellen Preisliste: www.hurtigruten.com)

Auch an Land ist die Übernachtung kein Problem: In jedem Städtchen gibt es ordentliche kleine Hotels. Dabei gilt aber auch hier: Fast alles kostet in Norwegen etwa 50 % mehr als in Deutschland. Die Qualität ist aber immer recht gut.

Nachtrag (30.Dez.2002):
Angeregt durch meine Schwärmerei über die Schönheit der Natur im sommerlichen Nordnorwegen und die fantastischen Farben im Licht der Mitternachtssonne (vielleicht auch durch die Bilder, die ich unter diesen Bedingungen einfangen konnte) hat ein guter Freund von mir im Sommer 2002 eine zweiwöchige (nicht gerade billige) Omnibusreise zum Nordkap gebucht. Nach seiner Rückkehr hat er nicht viel von der Reise erzählt, nur dass sie in den zwei Wochen fast 9.000 km zurückgelegt haben. Autobahnen gab es dabei nur in Deutschland und Südschweden. Täglich saßen sie rund 10 Stunden im Bus. Um voranzukommen, nahm der Bus hin und teilweise auch zurück die wenig abwechslungsreiche Strecke durch die endlosen Wälder in Schweden und Finnland. Unterwegs blieb trotzdem nur wenig Zeit für eine gelegentliche Pause oder einen kurzen Foto-Stop. Abends waren alle so müde, dass sie von dem jeweiligen Übernachtungsort meistens nicht viel mehr als den Speisesaal und die Zimmer des Hotels kennenlernten. Ich fürchte, ich habe mit meiner Schwärmerei hier nichts Gutes angerichtet. Besser wäre es vielleicht gewesen, mein Freund wäre mit einem Linienflug nach Narvik, Tromsö, Honningswäg oder Kirkenes geflogen (im Sommer gibt es zu den genannten Städten Direktflüge ab Deutschland) und hätte dann von dort aus die Gegend mit Linienbussen, dem Hurtigruten-Dampfer und/oder einem Mietwagen bereist.

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