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Von Yasuj über Shiraz nach Persepolis (3 Tage, 211 km)
Hinter Yasuj ging's mal wieder über viele km bergan. Anfangs noch mäßig, auf den letzten 3 oder 4 km vor dem Pass in 2.600 müm musste ich das bepackte Rad (knapp 40 kg) dann doch noch schieben. Die Gebirgs-Landschaft war aber beeindruckend und der Verkehr nicht stark. Da macht einem das nicht viel aus. Die Sonne wärmte tagsüber angenehm. So macht eine Radtour Spaß! Im April und Mai muss es hier zudem sehr grün und richtig schön sein.
Nach dem Pass ging es in flotter Fahrt auf guter und ruhiger Straße entlang eines rauschenden Flusses in ein viele km langes Hochtal. Das reichliche klare Wasser aus den Bergen links und rechts schafft offensichtlich gute Voraussetzungen für mehrere große Fischzuchtbetriebe. Oben an der Straße gibt es einige vom klaren Gebirgswasser durchströmte Becken. Hier bieten die Bauern aus der Umgebung ihre lebend-frischen Forellen zum Verkauf an. Ihre Einladung zu einer Tasse Tee nahm ich gerne an. Neben einem der Fischzuchtbetriebe konnte ich auch die Baustelle für ein großes Restaurant entdecken.
Am Ende des Hochtals dann noch einmal ein ca. 2.600 m hoher Pass bevor es schließlich in angenehmer, zügiger Fahrt über etwa 60 km hinunter zu der etwa 1.500 m hoch gelegenen großen Stadt Shiraz ging. Am Ende hatte ich die knapp 100 km von Yasuj nach Shiraz schon am frühen Nachmittag geschafft und noch genügend Zeit, um mir ein passendes Hotel zu suchen.
Schon eine Stunde bevor man in die eigentliche Stadt Shiraz kommt, kommt man an zahlreichen modernen und gut ausgestatteten Neubausiedlungen vorbei. Oft gibt es auch hier noch Baustellen, das Meiste ist aber schon fertig. Auch großzügige und gepflegte Grünanlagen vor und neben den Neubausiedlungen sind nicht mehr selten. Leer stehende fertige Neubauten habe ich nicht gesehen. Die Nachfrage nach modernem Wohnraum scheint groß zu sein. Kein Wunder bei den vielen jungen Leuten, die zwar für unsere Verhältnisse wenig verdienen, aber alle sehr fleißig sind und einer Beschäftigung nachgehen.
Schließlich kommt man in die eigentliche Großstadt Shiraz (gesprochen mit langgezogenem "a" und stimmhaftem "s" am Ende). Shiraz liegt 1.500 m hoch und hat ca. 1.400.000 Einwohner, etliche Universitäten, Krankenhäuser, Banken, Versicherungen, Hotels, große Museen, Verwaltungsgebäude und zahlreiche Geschäfte. Auf den Satelliten-Bildern bei google-maps sieht man in der Innenstadt noch viele große Baustellen. Inzwischen ist aber fast alles fertig und das Leben pulsiert hier, wie wir es im heutigen Deutschland nicht mehr kennen. (Ich erinnere mich an München in den 60er Jahren. Damals war dort noch ähnlich viel los wie im heutigen Shiraz, heute leider nicht mehr.) Shiraz muss im Frühjahr und im Sommer auch eine sehr grüne Stadt sein (siehe Bild vom jetzt noch winterlichen Shiraz).
Der Andrang in den Geschäftsstraßen ist überwältigend. Kleine und große Geschäfte mit gleichartigem Sortiment liegen meist direkt nebeneinander, so z.B. 20 bis 30 Geschäfte mit Fernsehgeräten, Digitalkameras, Laptops, handys usw. Geschäfte für Textilien und Schuhe sind noch viel zahlreicher und belegen ganze Straßenzüge. Im Bereich der Elektronik sind alle international renomierten Marken im Angebot, allesamt mit den neuesten Modellen. Die Preise der elektronischen Geräte sind übrigens auf internationalem Niveau. Erstaunlicherweise sind die Läden trotz der für unsere Verhältnisse niedrigen Löhne voller Kaufinteressenten, oft ältere Leute in Begleitung ihrer erwachsenen Kinder. Wie die Leute ihre Einkäufe in Anbetracht der relativ niedrigen Einkommen finanzieren, ist mir schleierhaft.
Als ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zum gut 50 km entfernten Persepolis machte, kam ich an mehreren großen Museen, Verwaltungs-Palästen und großen Plätzen mit gepflegten Grünanlagen vorbei. Entlang der auf dem Bild gezeigten Hafez-Road liegen zwei sehr schöne Moscheen, zwei gepflegte Parks, zwei Kliniken, die Zentral-Bibliothek und mehrere Universitätsinstitute. Dazwischen auch immer wieder Wohn- und Geschäftshäuser. Heute, am Freitag Vormittag, war es hier relativ ruhig - so wie bei uns am Sonntag Vormittag.
Hier noch ein Mal der Blick zurück auf die Hafez-Road und den älteren Teil des Stadtzentrums. Früher einmal war die Hafez-Road eine der Ausfallstraßen aus der Stadt. Ab dem hier gezeigten antiken Tor suchte sich die alte Fernstraße in Richtung Persepolis und Esfahan ihren Weg durch die umgebenden Berge. Heute verlässt hier eine stark befahrene sechsspurige Hauptstraße die Stadt. Das alte Tor hat man stehen gelassen und restauriert. Der Verkehr auf der neuen Straße wird in gebührendem Abstand daran vorbeigeführt.
Gleich hinter dem alten Stadt-Tor verschwindet die große Hauptstraße in den Bergen und von der Stadt ist nichts mehr zu sehen. Heute, am Freitag vormittag, war der Verkehr etwas weniger stark und damit für den Radfahrer etwas erträglicher als unter der Woche.
Am Nachmittag erreichte ich das etwa 2 km abseits der Hauptstraße gelegene Ruinenfeld des ehemaligen Persepolis. Dieses damals schon jahrhundertealte Macht- und Kulturzentrum wurde 330 vor Chr. von dem Mazedonier Alexander und seinen Truppen zerstört. Die Reste von Persepolis sind auch heute noch beeindruckend. Überrascht war ich auch hier wieder von den vielen jungen Erwachsenen, die das alte Kulturzentrum an diesem Freitag Nachmittag besuchten. Auch einige Soldaten waren unter den Besuchern, durchwegs intelligente und gut ausgebildete Wehrpflichtige, die ihre Freizeit zu einem Ausflug hierher genutzt hatten (die Wehrpflicht im Iran beträgt 2 Jahre).
Überrascht hat mich auch die große Anzahl junger Iranerinnen, welche die Ruinenstätte ohne männliche Begleitung besuchten. Den gesetzlichen Vorschriften entsprechend tragen sie alle ein Kopftuch. Klagen über das Kopftuchgebot habe ich allerdings nur gelegentlich von einigen älteren Damen des städtischen Mittelstandes gehört. Die Jüngeren haben sich offenbar mit dem Gebot arrangiert. Manche verstehen es durchaus, mit diesem Kleidungsstück zu kokettieren. Durchwegs sind die jüngeren Frauen sehr geschmackvoll geschminkt. Durch die Verhüllung anderer weiblicher Reize (vielleicht auch Unzulänglichkeiten?) kommt ihr geschicktes make-up besonders gut zur Geltung. Zwischen der hin und wieder geäußerten Kritik an den politischen Verhältnisse in
ihrem Land und dem geschmackvollen Äußeren der jungen Leute konnte ich keinen Zusammenhang erkennen. Aufgefallen ist mir im Zusammenhang mit dem Kopftuchgebot nur eine russische Reisegesellschaft. Die Damen in dieser Gruppe wirkten mit ihren nicht hierher passenden bunt gemusterten Kopftüchern und in ihrem Bemühen um eine der Landessitte entsprechende "sittliche" Kleidung ungeschickt zusammengestellt. Ich konnte mir ein Grinsen hinter ihrem Rücken nicht verkneifen. Der Blickkontakt zu einigen anderen älteren iranischen Männern zeigte mir, dass es ihnen ähnlich ging wie mir.
Das Großartigste in Persepolis sind aber nicht die etwa 2.500 Jahre alten Reste von Mauern und Säulen sondern die ebenso alten sehr gut erhaltenen Reliefs. Mit hinreichend Fantasie und dank der guten und nicht zu langen Informationen auf kleinen Tafeln (sowohl in Farsi-Sprache und -Schrift als auch in Englisch) kann man sich ein lebendiges Bild von den Machtverhältnissen und den gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit machen. Die beeindruckenden Kunstwerke wurden nicht von Sklaven oder unterdrückten und ausgebeuteten Untertanen geschaffen sondern von angemessen bezahlten Kunsthandwerkern. Die Abrechnungen kann man noch heute auf Steintafel nachlesen, die schon bei der Entstehung der Kunstwerke zusammen mit den Reliefs in die alten Mauern eingebaut worden waren. In einem sehenswerten Museum auf dem Gelände wird auch gezeigt, wie sich aus der Schrift von damals verschiedene noch heute gebräuchliche Schriften entwickelt haben. Es ist schwer verständlich, dass es der damaligen Hochkultur nicht gelungen ist, sich gegen den mazedonischen Provinzfürsten Alexander mit seiner marodierenden Soldateska zu behaupten. |
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