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Alta,09. Juli 2001
Hallo Freunde,
schöne Grüße aus Nord-Norwegen. Anklicken zur BildvergrößerungHier ist alles ganz anders als in Russland.

Auf den ca. 250 km von Murmansk zur russisch-norwegischen Grenze blieb es zunächst hügelig. Die Straße folgte meist flachen grünen Tälern mit Birkenwaldtundra. Hin und wieder gab es wild rauschende Flüsse oder einen See. Zwei- oder dreimal waren weitläufige Hügelketten mit Pässen auf kahlen Hochflächen in ca. 350 m Höhe zu überwinden. Die Baumgrenze liegt bei etwa 270 m Höhe. Über 300m wächst hier fast nichts mehr, höchstens einige spärliche Gräser, Flechten und ganz niedrige Gewächse, die wir von unseren Steingärten kennen. Auf den letzten 100 km vor der Grenze gab es zum ersten Mal Militär. Sehr viel Militär sogar. Einmal traf ich auf einer der Passhöhen auf ein großes Feldlager mit vielen Fahrzeugen und mobilen Radaranlagen. Normalerweise befindet sich das Militär aber in festen Ansiedlungen, die jeweils aus einer oder zwei großen Kasernenanlagen und etlichen Wohnblocks für die Familien bestehen. Das waren westlich von Murmansk auf den ersten 200 km die einzigen menschlichen Ansiedlungen an der Strecke. Mehrfach kommt man an gepflegten großen Kriegergedenkstätten mit Ehrenmal vorbei. Interessant, dass dabei kaum etwas an den Kommunismus erinnert, obwohl die Ehrenmäler und Inschriften alle mindestens Anklicken zur Bildvergrößerung 20 oder 30 Jahre alt sind. In dem Militärstädtchen Petschenga gibt es neben dem großen russischen Soldatenfriedhof auch eine gepflegte Gedenkstädte für die hier gefallenen deutschen Soldaten und ein Ehrenmal für ein Gebirgsjägerbatallion aus Garmisch. Etwa 70 km vor der Grenze war eine Straßensperre mit Schlagbaum und militärischen Wachposten. Die einfachen Soldaten dort verlangten meine Papiere und wussten dann offensichtlich nichts mit den Papieren und mit mir anzufangen. Erst der herbeitelefonierte Offizier ließ mich problemlos passieren. Alle waren aber freundlich und korrekt. Englisch oder gar Deutsch verstand allerdings niemand. Ein paar Zigaretten hätten der Atmosphäre bei den einfachen Soldaten während der Wartezeit bestimmt gut getan. Beim nächsten Mal werde ich vielleicht welche mitnehmen.

Im übrigen gibt es auf den letzten 100 km der Strecke vor der russisch-norwegischen Grenze noch zwei mittelgroße Bergwerkstädte. In der Umgebung der Hüttenwerke ist die Natur weitgehend zerstört. Viel Schmutz und schwefeliger Qualm, der auf der Haut brennt, schwebt in der Luft. Aber die Menschen haben Arbeit und man spürt überall Aufbruchstimmung und Zuversicht.Anklicken zur Bildvergrößerung Anklicken zur BildvergrößerungDie vielen Plattenbauten sind fast alle renoviert und in lebhaften hellen Farben frisch gestrichen, nicht hässlich!

Für die letzten eingezäunten und streng bewachten 25 km vor der Grenze bekommt man im Grenzgebäude am ersten Zaun einen Passierschein und wird insgesamt dreimal kontrolliert. Etwas umständlich, aber korrekt, freundlich und ohne Schikanen. Bei den russischen Grenzsoldaten hier oben erlebt man die gleiche Aufgeschlossenheit und aktive Hilfsbereitschaft wie fast überall in Nordrussland. Wie schlimm muss das für diesen Menschenschlag sein, wenn sie arbeitslos in den kleinen verrottenden Industriestädten, die ich weiter im Süden oft angetroffen hatte, herumhängen müssen, wie belastend die Chancenlosigkeit für die durchwegs arbeitswilligen Menschen hier. Warum gibt es von der EU bisher kein Aufbauprogramm, wie es den Deutschen vor 50 Jahren mit Marshall-Plan und Montanunion geboten wurde? Das Geld dafür wäre in Nordrussland bestimmt nicht rausgeworfen...

Anklicken zur BildvergrößerungUnd dann trifft es einen wie ein Blitz: In Norwegen ist alles strahlend sauber, die Häuser in lebhaften Farben wie im Ikea-Katalog, hervorragender Straßenbelag, kein Abfall entlang der Straße. Auch die Natur erscheint plötzlich viel sauberer - wie frisch gewaschen. Kirkenes, die erste norwegische Stadt etwa 20 km hinter der Grenze, ist eine gepflegte und schmucke Kleinstadt mit vielen Geschäften, Restaurants, Hotels, vielerlei Dienstleistungsunternehmen und einem vorbildlichen Museum. Es ist kaum vorstellbar, dass Kirkenes noch vor 50 Jahren eine schmutzige Bergwerkstadt mit tausenden Bretterbuden in einer verwüsteten Landschaft gewesen sein soll, die zudem 1941 von deutschen Bombergeschwadern vollständig zerstört worden war.

Auch auf der weiteren Strecke blieb es so in Norwegen: Die sehr abwechslungsreiche, saubere Landschaft, in kräftigen Farben frisch gestrichene komfortable Holzhäuser in gepflegten Gärten, sattgrüne breite Täler mit Wiesen, Wäldern und mit wild rauschenden glasklaren Flüssen. Und immer wieder die klare Luft mit ihren vielen dicken Wolken und das Farbenspiel der tiefstehenden Sonne. Anklicken zur BildvergrößerungDas ist auch so, wenn man über die kahlen, welligen Hochflächen oberhalb der Baumgrenze fährt, die hier bei etwa 250 m liegt. Ein beeindruckender Gegensatz zu den vielen km entlang der oft wildromantischen Küste an den breiten Meeresbuchten mit ihrem glasklaren Wasser. Das Beste dabei ist immer wieder das Lichtspiel der Sonne in den Wolken, besonders zwischen 20 Uhr abends und 3 Uhr morgens. Ich bin mehrfach wie berauscht bis 3 Uhr morgens gefahren und habe keine Müdigkeit gespürt.

Etwa 100 km vor dem Nordkap geht die Baumgrenze dann hinunter bis auf Meereshöhe, d.h. es gibt keine Bäume mehr.  Auch das Gras wird immer spärlicher und auf den letzten 50 km gibt es nur noch dichte Matten aus etwa 10 cm hohem Heidekraut und Preiselbeerpflanzen. Das Kap selbst ist eine große, zum Meer hin 300m tief abstürzende schräge Rampe. Das Gelände ist steinig und ziemlich kahl. Sehr oft herrscht oben am Kap dichter Nebel mit eiskaltem Wind und Regen. Ich war froh, als sich der Nebel am Kap nach zwei Tagen mit heftigem Regen und viel Wind wenigstens für 3 Stunden lichtete. Gelegentlich soll aber auch am Nordkap die Sonne ihr fantastisches Farbenspiel in die Wolken zaubern.

Anklicken zur Bildvergrößerung Anklicken zur BildvergrößerungOben auf dem Kap gibt es ein weiträumiges Gebäude mit Restaurants, Souvenierläden, Museum und Filmsaal. Alles sehr gepflegt und sehenswert. Die etwa 43,00 DM Eintrittsgeld, die jeder Besucher am Anfang des großen Parkplatzes am Nordkap bezahlen muss, sind in Anbetracht des Gebotenen und der in Norwegen allgemein hohen Preise gerechtfertigt. Fern-Radfahrer, die sich bis hierher hochgekämpft haben, zahlen übrigens keinen Eintritt. Auch eine Mautgebühr für die Passage durch den 7 km langen Unterwassertunnel hinüber zu der 30 km großen Insel, auf der das Kap liegt (ca. 45 DM pro einfache Durchfahrt eines PKW) , wird von Fern-Radfahrern nicht verlangt. Allerdings ist die Fahrt durch die felsige und spärlich beleuchtete Röhre 220 m unter dem Meeresspiegel Anklicken zur Bildvergrößerungmit ihrer feuchten kalten Luft und dem kräftigen Gefälle hinunter und dem steilen Anstieg wieder hinauf für viele unangenehm. Ich selbst hatte damit keine Probleme. (Eine Fähre nach Honningsväg auf der Nordkap-Insel gibt es übrigens nicht mehr.)

Das einzig Negative in Norwegen sind die hohen Preise. Alles ist etwa 50 Prozent teuerer als bei uns. Trotzdem sind viele Touristen aus allen europäischen Ländern hier unterwegs. Die meisten mit Wohnmobilen. Auf den letzten 100 km vor dem Kapp sieht man auch viele Reisebusse aus ganz Europa. Und man trifft überraschend viele Fern-Radfahrer, manchmal sechs bis acht pro Tag. Fast alle haben, ähnlich wie ich, schon mehrere tausend km hinter sich, Anreise meistens über Finnland und/oder Schweden. Es gab immer wieder einen interessanten Erfahrungsaustausch. Und ich habe manchen guten Tip bekommen. Allgemeine Umgangssprache unter den Radlern ist Englisch, obwohl die meisten keine Engländer sind. Sogar die (seltenen) Franzosen, die man hier unter den Radfahrern trifft, sprechen problemlos Englisch. Es ist überraschend, wie unwichtig die Nationalität bei diesen Unterhaltungen wird.

Anklicken zur Bildvergrößerung Anklicken zur BildvergrößerungEigentlich möchte ich noch gar nicht zurück aus dem Land mit der schönen Natur, der klaren Luft und den langen Nächten, in denen die tiefstehende Sonne ständig neue Farben in die Wolken zaubert. Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass ich in vier oder fünf Wochen schon wieder zu Hause sein soll.

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