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Von Esfahan nach Yasuj (7 Tage, 365 km)

historische Brücke in Esfahan Esfahan ist nicht nur groß (1,7 Millio­nen Ein­wohner, incl. Umland 3,5 Millio­nen). Esfahan ist auch sehr attraktiv. In der Innen­stadt gibts zahl­reiche große Geschäfts­straßen mit über­wiegend - aber nicht nur - kleine­ren Geschäf­ten. Auch große Ver­wal­tungs­bauten, Parks, Bazare (ähnlich unseren Einkaufs­passagen)... Alles voller Men­schen, über­wiegend junger, gebil­de­ter Mittel­stand. Auf meinem Weg durch die Stadt kam ich auch durch sehr ge­pfleg­te Stadt­viertel und landete schließ­lich an einem Fluss, über den es neben zahl­reichen dicht befahrenen modernen Straßen­brücken auch eine histori­sche Brücke gibt, doppel­stöckig und mit zahl­rei­chen Bögen. Am Ufer des Flusses gut besuchte Grün­anla­gen. Esfahan ist anders, erinnerte mich aber immer wieder an München.

Hauptstraße nach Shahreza und Shiraz 25 km durch leb­hafte Vor­städte mit unter­schied­lich­ster Wohn­be­bauung, Gewerbe und Industrie be­nö­tig­te ich, bis ich endlich aus der Stadt raus war. Dann gabs aber immer noch keine ruhigen Neben­straße oder gar einen Radweg. Nein, es ging wieder, wie schon vorher, auf einer stark be­fah­renen auto­bahn­artigen Strecke weiter.

Anstieg zur ruhigen Nebenstrecke Erst in Shahreza, einer leb­haften Land­stadt, bot sich die Möglich­keit, auf eine ruhige Neben­strecke auszu­wei­chen. Es war zwar vor­her­zu­sehen, dass es da einiger­maßen berg­auf gehen würde. Aber lieber ein paar Stunden schieben als auf der stark be­fah­re­nen Haupt­straße Nerven oder gar mehr zu ver­lieren. In Shahreza hatte ich mir sicher­heits­halber noch eine zusätzliche Decke ge­kauft. Wie sich später heraus­stellte, keinen Tag zu früh!

Wintersport Nach einigen Stunden Anstieg, teil­weise mit Schieben, hatte ich einen Pass (2.700 müm) erreicht. Heute am Freitag, dem mus­li­mi­schen Sonn­tag, waren viele Familien zum Winter­sport hier herauf ge­fah­ren. An den Hängen hatten sie sich richti­ge Rutsch­bahnen ge­macht, auf denen sie mit Schläuchen aus LKW-Reifen rodel­ten. Unten an der Straße wurde in großem Umfang Picknick gemacht. Wieder­holt wurde ich ein­ge­laden.

Rot-Kreuz-Station Hinter dem Pass gings nicht, wie er­war­tet, wieder bergab. Viel­mehr er­streck­te sich hier über mehr als 20 km eine welli­ge Hoch­fläche, links und rechts von schroffen Bergen gesäumt. Sobald die Sonne sank, wurde es bitter kalt. Dazu pfiff ein eisiger Wind über die kahle Fläche. An Zelten war hier oben nicht zu denken und bis zur nächsten Klein­stadt waren es noch 20 km. Bei ein­brechen­der Dunkel­heit kam ich an einer Station des Roten Halbmond (ent­spricht unse­rem Roten Kreuz) vorbei. Sie riefen mir zu und luden mich ein, in der Stadion zu über­nachten. Da hab ich mal wieder Glück gehabt. Danke!

eingeschneiter Bauernhof Auf den nächste 20 km bis Semirom ging's noch mehrfach bergauf und bergab, immer zwischen 2.500 und 2.700 m. Das wäre was geworden, wenn sie mich nicht in die Station einge­laden hätten! Der einsame Bauern­hof rechts neben der Straße hatte jetzt im Winter wohl den Betrieb ein­ge­stellt. Jeden­falls war alles ein­ge­schneit und ver­schlossen.

Schneetreiben in Semirom Nach einer Abfahrt über enge Serpen­tinen von 2.700 auf 2.500 kam ich bei Schnee­treiben in die Klein­stadt Semirom, berühmt durch einen über 130 m hohen Wasser­fall. Nach den Bildern, die sie mir zeigten, muss es hier im Sommer viel grüne Natur geben.

noch'n Pass Dann wieder viele km bei Schnee­treiben und Regen über eine wellige, ver­schnei­te Hochf­läche. Zum Glück mit leichtem Gefälle. Nochmal einige 100 Meter bergauf zu einem letzten Pass bevor es dann auf einer langen Abfahrt aus der Schnee­region raus ging.

Am Ende der langen Abfahrt landete ich in einem Tal. Es hatte den ganzen Tag geschneit bzw. geregnet. Der Fluss im Tal führte ent­spre­chend Hoch­wasser. Leider waren auch alle Feld­wege und Felder vom vielen Regen ein­ge­weicht. Da keine Stadt in der Nähe war, musste ich trotz­dem irgend­wie Zelten. Bei einem ersten Versuch die Straße auf einem Feld­weg zu einer Obst­plantage zu ver­lassen, blieb ich im Lehm stecken. Alles war so sehr voll Lehm, dass sich die Räder nicht mehr drehen ließen. An diesem Abend hatte ich ein echtes Problem bis ich end­lich einen einiger­maßen geeig­neten Platz fürs Zelt gefun­den hatte, und am Morgen dann auch noch einen Platten. Um den zu reparieren, musste ich zunächst mit einem Stock und mit den blanken Fingern die dicken Lehm­klumpen aus Schutz­blech, Gabel und Bremsen entfernen. Rad­reisen sind nicht immer nur schön.

unten im Tal Dem Fluss-Tal folgte ich dann ein­ein­halb Tage. Oft ging es kräftig berg­auf und bergab, weil die Geo­logie hier haupt­säch­lich aus einer Mischung von Lehm und Geröll besteht. An steileren Hängen besteht deshalb immer die Gefahr, dass die ganze Straße abrutsch. Dann muss die Straße eben über den Berg! Die Hänge sind über­wiegend mit einem lockeren Wald aus Stein­eichen bedeckt (jetzt im Winter noch ohne Laub). Da­hin­ter oft über 4.500m hohen Schnee­berge. Ein schönes Bild! Hin und wieder gab's im Tal auch brei­tere Stellen mit Feldern. Da beginnt es jetzt schon zu grünen. In den Dörfern viele fleißige, fröhliche und freund­liche, meist junge Menschen. Eine schöne Strecke war das!

Dorfläden In den Dörfern, durch welche die Bezirks­straße führ­te, ist der all­ge­meine Wirt­schafts­boom genau­so an­ge­kommen wie in den rapide wach­sen­den Groß­städten. Alle bauen emsig auf. In jedem Dorf gibt's eine große Anzahl klei­ner Läden. Dazwi­schen Werk­stätten für LKW, PKW, Bau- und Land­maschi­nen und auch stets mehrere "Restau­rants". Die Restau­rants sind meistens (noch) nicht mit denen bei uns ver­gleich­bar, gehen aber deut­lich über den Standard einer "Imbiss­bude" hinaus.

Nachtrag zum Thema Restaurants:
Am Rand der Groß­städte Esfahan und Shiraz habe ich aller­dings auch einige sehr edle Restau­rants gesehen, in großen illu­mi­nie­rten Parks ge­le­gen und von livrier­ten Pfört­nern und Wächtern vor den Blicken allzu neu­gie­ri­ger Tourist­en und ande­rer "normaler" Menschen ge­schützt. Ob sich das nach der nächs­ten Re­vo­lu­tion wohl ändern wird?

Hohlblockstein-Hersteller Am Rand der Stadt Yasuj liegen links und rechts neben der Straße etli­che Be­trie­be, in denen Hohl­block­steine her­ge­stellt werde. Eine Zement­misch­maschine, eine große beto­nier­te Fläche, eine Anzahl ent­spre­chen­der Form­käs­ten und drei bis vier fleißige Arbeiter - viel mehr braucht man nicht für so ein mittel­ständi­sches Unter­neh­men. Als ich die Be­trie­be hier sah, tauch­ten bei mir plötz­lich Er­inne­run­gen an Deutsch­land um 1960 auf. Andernach und Neuwied - damals lebte dort die ganze Region von der Her­stel­lung von Hohl­block­stei­nen in ähnlichen Be­trie­ben. Wir können uns das heute kaum mehr vor­stellen. Aber damals herrsch­te in Deutsch­land ein Bau-Boom fast wie im heu­ti­gen Iran: Die mei­sten der Wohn­häu­ser in deut­schen Städten, die nicht zu­fällig in einer von den Kriegs­zer­störun­gen ver­schont ge­blie­be­nen Stadt lagen, sind damals in weni­gen Jahren mit ähn­li­chen Metho­den wieder aufgebaut worden.

Yasuj Schließlich kam ich in die Provinz­haupt­stadt Yasuj (Aussprache "Jasudsch", in einem hier sehr breiten 2.000 m hoch gele­ge­nen Tal zwischen 3.000 m hohen Bergen, ca. 150.000 Ein­wohner, Zivil­flug­hafen, Uni­versi­tät, großes Kranken­haus, ...). Nicht direkt schön. Aber wieder un­glaub­lich voller Leben. Und Bau­stellen über­all. Könnte mir vor­stellen, dass es hier in 10 Jahren eine nicht nur prospe­rie­rende sondern auch attrak­tive Groß­stadt geben wird. So wie das auch in den vielen anderen stür­misch wach­sen­den Städten im Iran der Fall sein wird. Ich habe den Ein­druck, Deutsch­land ver­schläft, was sich hier ent­wickelt. Die neue­ren PKW und Bau­ma­schi­nen kommen jeden­falls nicht mehr aus Deutsch­land oder Frank­reich sondern aus Japan und Korea. Noch haben deut­sche Pro­duk­te einen guten Ruf wegen ihrer Qua­li­tät. Es wird aber höch­ste Zeit, dass die deut­sche Poli­tik und Indu­strie aufwacht! Der Vorwurf geht dabei vor allem an die Politik (vgl. Zeitungsartikel im Anhang).

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