2. Kempten bis Milano
Auf dem nächsten Abschnitt überquerten wir die Alpen - viel Kletterei, aber in Anbetracht der wunderschönen Landschaft nimmt man hier auch mal ein paar Stunden Schieben in Kauf.
So, 9.5.: Kempten bis Weitnau (Allgäu)
Nach mehrstündiger Bahnfahrt erreichten wir am frühen Nachmittag Kempten (Bild). Ein guter Kaffe bei den Freunden, bei denen wir unsere Räder am Mittwoch eingestellt hatten, dann setzten wir unsere Radtour fort. Leider begann es pünktlich zum Start auch wieder zu regnen. Zunächst machten wir noch einige Fotos in Kempten, der hübschen, sauberen Stadt mit der langen, abwechslungsreichen Geschichte. Dann gings auf einem landschaftlich sehr schön geführten Radweg in Richtung Isny. Der Radweg verläuft auf einem alten Bahndamm und man spürt den Anstieg auf 970 m kaum. Leider war der an sich gute Feinschotter durch den tagelangen Regen etwas weich geworden. Auf der Höhe von Weitnau mischte sich Schnee in den immer noch andauernden Regen. Zu sehen gabs auch nicht viel, denn die Wolkendecke knapp über uns verhüllte fast alles. Deshalb suchten wir uns schon nach nur 27 km in Weitnau einen Gasthof zum übernachten.
Mo, 10.5.: weiter bis Lindau
Endlich hatte der Regen aufgehört. Jetzt war auch etwas von der schönen grünen Landschaft und den schneebedeckten bewaldeten Hängen links und rechts zu sehen. Auf den guten Straßen mit relativ wenig Verkehr ging es nicht so stark auf und ab wie erwartet. Deshalb nahmen wir den Weg über Lindenberg, eine recht hübsche und geschäftige Kleinstadt. Dann kam auch endlich wieder die Sonne heraus und in rauschender Fahrt gings auf vielen Serpentinen durch den Hochwald hinunter zum Bodensee. Hier war alles ganz anders, die Landschaft, die frühsommerliche Vegetation mit angenehmen Temperaturen und in Lindau (Bild) auch schon alles voller Touristen. All das genossen wir nach dem tagelangen schlechten Wetter und blieben für die Nacht auf dem gepflegten Campingplatz am See an der Grenze zwischen Lindau und Bregenz.
Di, 11.5.: von Lindau nach Bad Ragaz
Frühstück in Bregenz. So früh am Morgen wirkte die stark vom Tourismus geprägte Stadt wenig schön. Weiter entlang der stark befahrenen Bundesstr. 190 mit parallel verlaufendem gutem Radweg bis kurz vor Feldkirch. Das an sich besuchenswerte Feldkirch kannten wir von früher. Wir nahmen daher den bequemeren Weg auf ruhiger, ebener Nebenstraße unten am Rhein über Nofels nach Rüggeli in Liechtenstein. Kurz vor Vaduz erreichten wir wieder die Hauptstraße. Das wenig attraktive Vaduz mit seinen vielen kleinen abweisenden Bankgebäuden entlang der Hauptstraße hätten wir uns getrost sparen können. Sinnvoller wäre es gewesen, schon vorher auf den hier gut asfaltierten Radweg am Rheindamm zu wechseln. Dabei muss man bei Balzers unbedingt darauf achten, über eine der Brücken aufs westliche Rheinufer zu wechseln. Am östlichen Ufer endet der Dammweg am Steilhang. Hier gibts kein Weiterkommen. (Wir mussten die letzten 4 km wieder zurückradeln!) Angenehm ruhig war dann die Übernachtung auf dem Campingplatz in dem ufernahen Wald hinter dem Freibad (noch geschlossen) des ansonsten ziemlich verschlafenen Bad Ragaz.
Mi, 12.5.: von Bad Ragatz nach Splügen Hinter Bad Ragaz wurde der markierte Radweg auf dem Rheindamm deutlich schlechter. Später verließ er den Rheindamm ganz und führte bis Chur recht verwinkelt durch eine stark zersiedelte, weniger attraktive Gegend. Ab Domat ging es schließlich auf einer Landstraße mit relativ wenig Verkehr weiter. Interessant die alte Straßenbrücke am Zusammenfluss von Vorderrhein und Hinterrhein bei Tamis. Dann folgt die erste kräftige Steigung hinauf nach Bondlez. Dahinter fährt man bis Thusis weiter durch ein schönes, breites Tal ohne nennenswerte Steigungen. In Thusis mussten wir entscheiden, wie es weitergehen sollte: Über den im Winter gesperrten Splügenpass nach Chiavenna oder über den ganzjährig geöffneten, stark befahrenen Julier nach Silvaplana und weiter über den Maloja nach Chiavenna oder mit der Bahn durch den Albulatunnel nach St.Moritz und von dort zum Maloja. Im Touristenbüro in Thusis erfuhren wir, dass der Splügenpass heuer schon besonders früh (am 2.Mai) freigeräumt worden und jetzt befahrbar war. Darauf hatten wir gehofft. Nach einer letzten Kaffeepause, bei der uns die Wirtin die Auskunft des Touristbüros bestätigte, machten wir uns auf in die enge Via-Mala-Schlucht, die gleich hinter Thusis beginnt (Bild).
Die Schlucht ist so eng und die Steilhänge links und rechts sind so hoch, dass man sie auf kein Foto bekommt. Kräftig ansteigend windet sich die Straße durch die Schlucht und bezwingt sie mit Hilfe mehrerer Tunnels, Galerien und Brücken.
Erst in Zillis weitet sich das Tal wieder und bis Andeer geht es fast eben weiter (Bild). Dann folgte der längste Anstieg der heutigen Etappe. Ca.500 m geht es auf vielen Serpentinen durch dichten Wald hinauf bis zum Sufner (Stau-)See. Leider hatte es in Andeer auch wieder angefangen zu regnen und es wurde unangenehm kalt. Oben am Sufner See entschieden wir uns dummerweise für den markierten Radweg, der auf kaum zumutbaren Forstwegen südlich um den See führt. Besser wären wir auf der Straße an der Nordseite geblieben. Das bestätigte man uns später auch im Hotel in Splügen. Nach einem letzten kurzen Anstieg erreichten wir im kalten Nieselregen schließlich Splügen. Außer einigen Hotels (keines unter 80 Euro fürs Doppelzimmer) ist hier um diese Jahreszeit alles geschlossen. Das Hotel Suretta an der Brücke beim Abzweig zum Splügenpass versöhnte uns aber mit einem ordentlichen Zimmer und einem guten Abendessen.
Do, 13.5.: Über den Splügenpass nach Dervio am Comer See
Gleich hinter dem Abzweig zum Pass im Ort Splügen gehts kräftig bergauf, zunächst auf vielen Serpentinen durch lichten Wald. Weiter oben im kesselartigen Ende des Hochtals ist die Schneedecke schon fast überall geschlossen. Danach führt die Straße über den breiten, kahlen und jetzt im Mai noch ganz mit Schnee bedeckten Hang mit vielen Serpentinen hinauf zm Sattel mit dem Pass.
Etwa 1 km vor dem eigentlichen Pass trifft man auf einen gemütlichen Berggasthof. Wir sind heuer angeblich die ersten Radtouristen. (Sie hatten ihr Gasthaus nach einer langen Winterpause aber gerade erst wieder geöffnet, wie sich später herausstellte.) Gleich hinter dem Berggasthof passiert man auch schon die schweizer Zollstation.
Am Pass selbst (2 km weiter und 2.113 m hoch) liegt die italienische Zollstation. Niemand nimmt uns zur Kenntnis. Nochmal 2 km weiter, hinter dem Stausee Lago di Spluga, beginnt der Abstieg erst richtig. Es geht über 1.800 Höhenmeter ständig kräftig bergab. Sofern uns die engen Kurven nicht zum Abbremsen zwingen, sausen wir mit rasanter Fahrt hinunter bis Chiavenna.
Zunächst aber nach etwa 2 km auf weit geschwungenen Serpentinen am schneereichen Hang das erste italienische Dorf: Monte Spluga. Alles ist wie ausgestorben. Das mit vielen Felsen übersähte Schneefeld dahinter muss im Sommer ein großer, flacher Stausee sein, der Lago di Spluga. Jetzt ist hier alles öd und leer und ziemlich trist.
Atemberaubend ist dann der Abstieg am fast senkrechten Felshang zwischen Boffalora und Pianozza. Hier gibts echte Haarnadelkurven. Die Kehren sind teilweise als kleine Tunnel in den Felsen geschlagen.
Nach der langen eindrucksvollen Abfahrt muß man in Chiavenna auf die stark befahrene Hauptstraße, die in einem breiten, flachen Tal bis zum Lago di Mezzalo (Bild) und dann zum oberen Ende des Comer Sees führt. Am Comer See entschieden wir uns für die weniger stark befahrene Nebenstraße am steilen Ostufer. Sie erwies sich als landschaftlich sehr schön und als die bessere Lösung für uns Radfahrer.
Fr, 14.5.: vom Comer See nach Mailand
Die meiste Zeit war die Strecke am Ostufer des Comer Sees (Bild) sehr schön und angenehm zu fahren. Erst auf den letzten 10 km vor Lecco ändert sich das. Hier mündet die kleine Uferstraße, der wir seit gestern abend gefolgt waren, in die stark befahrene Schnellstraße, die vorher kaum merkbar hoch oben am Hang durch Tunnels verläuft. Außerdem kommt man hier durch ein Gewerbegebiet mit vielen hässlichen Bauten. Lecco selbst hat nochmal eine ganz hübsche Uferpromenade. Weiter über Oggiano und Besana gabs dann aber trotz Nebenstraße nur noch viel Verkehr, aber keine landschaftlichen Höhepunkte mehr. In Monza erlebten wir zum ersten Mal in Italien ein mehr oder weniger geglücktes Radwegenetz und eine wirklich besuchenswerte Innenstadt mit dem beeindruckenden Dom und einer quirligen Fußgängerzone. Der weitere Weg ins Zentrum von Mailand (fragen Sie nach dem Duomo =Dom) führte uns über verkehrsreiche Straßen durch dichte großstädtische Bebauung.
Im Zentrum beim Mailänder Dom herrschte dichtes Gedränge von Touristen. Besonders sehenswert in Mailand ist gleich neben dem Dom die mit einem großen Glasgewölbe überdachte Einkaufspassage (heute fast nur noch mit Touristenlokalen bestückt und ohne Geschäfte). Die sehr schöne filigrane Domfassade war leider fast vollständig eingerüstet. Nur an den Seiten konnte man erahnen, was da verborgen war. Der anschließende Weg zum weit außerhalb gelegenen Campingplatz "Campeggio di Citta Milano" führte uns vorbei an dem riesigen Fußballstadion San Siro und dann fast bis zum westlichen Autobahnring. Dort hin zu finden erwies sich als unerwartet schwierig. Beim Durchfragen sollte man sich nach dem nebenan gelegenen Aqua-Park erkundigen. Der ist bei den Leuten hier besser bekannt als der Campingplatz.
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