Čérnivci - Mikolaїv(06. bis 12. Mai 2003, 731 km)Čérnivci / ЧEPHIBЦI (ukrainisch) = Tschernowzi / ЧEPHOBЦЬI (russisch) = Tschernowitz (deutsch)Mikolaїv / MИKOЛAЇB (ukrainisch) = Nikolajew / HИKOЛAEB (russisch) Čérnivci erlebte ich als eine große Stadt mit viel Trubel, viel Chaos und noch voll im Umbruch zur neuen, kapitalistischen Zeit, d.h. noch sehr marode Straßen und öffentliche Gebäude sowie eine große Anzahl unschöner Plattenbauten in den Wohngebieten der inneren Stadt, aber auch schon mit vielen Geschäften und Banken - alle mit Geldautomaten, bei denen ich mit meiner Visa-Karte problemlos Geld abheben konnte. EC-Karten sind in der Ukraine wie auch in Russland unbekannt. Geldautomaten, bei denen man mit deutschen Visa-Karten abheben kann, gibt's übrigens in allen etwas größeren Städten in der Ukraine und in Russland in den Banken und größeren Hotels. Dort kann man während der Geschäftszeiten ggf. auch Euro-Bargeld in Scheinen wechseln. Von der oft empfohlenen Mitnahme von US-Dollar in kleinen Scheinen muss ich abraten. Mit denen kann man wie mit den Euro-Noten nur in Banken und Hotels etwas anfangen. Von Čérnivci aus gings für mich dann zunächst 150 km nach Norden. Dabei überquerte ich in Hotin den Fluss Dnister (auf deutsch Dnjestr). Weiter flussabwärts gibt es innerhalb der Ukraine keine weitere Brücke über den Fluss. Später bildet der tief eingeschnittene Dnister dann die Grenze zu Moldavien. Dort gibt es noch einige Brücken. Für den Weg durch Moldavien hätte ich als Nicht-Ukrainer aber ein separates Visum gebraucht. Aus diesem Grund fuhr ich also zunächst nordwärts bis Dunaivci und erst dann in einem weiten Bogen wieder nach Südosten. Dabei zeigte sich dann auch, warum es direkt am Dnister keine durchgehende Straße gibt: Das Hügelland östlich von Čérnivci ist ein großes Gebiet aus lockerem Kalkmergel, in den sich nicht nur der Dnister sondern auch seine vielen Zuflüsse tief eingegraben haben. Direkt am Flussufer war der Bau einer durchgehenden Straße offenbar oft nicht möglich. Mir blieb deshalb nichts anderes übrig als drei Tage lang in ständigem Auf und Ab viele tief eingeschnittene Seitentäler des Dnister zu kreuzen. Je mehr ich mich dabei wieder dem Dnister näherte, um so tiefer wurden die Einschnitte. Landschaftlich ist die Gegend reizvoll, für den schwer bepackten Radwanderer aber auch etwas anstrengend. Erst hinter Jampil, wo ich den Dnister zum letzten Mal sah, ließ das ständige Auf und Ab nach und es gab nur noch wenige Steigungen, die zum Absteigen zwangen. Ab Chechelnic war es dann nur noch wellig. Insgesamt waren die ersten 400 km hinter Cernivci abwechslungsreich und landschaftlich oft sehr schön. Abgesehen von der stark befahrenen Hauptstraße bis Dunaivci und den wenig schönen mittelgroßen Städten Mogiliv-Podolskij und Jampil war die Fahrt durch die Ukraine bis jetzt ein durchaus interessantes Erlebnis, allerdings bei regelmäßig höllisch heißen Tagestemperaturen. Die Leute erzählten mir, dass es hier zwischen Winter und Sommer keine Übergangszeit gibt. Bis Mitte April ist es noch sehr kalt, und dann innerhalb von wenigen Tagen ist der höllisch heiße Sommer da. Die zum Radfahren einzig angenehme Zeit ist zwischen 05:30 und 09:30 morgens. Da macht die Fahrt durch die weite Landschaft mit den riesigen Feldern und den endlosen Reihen von Bäumen und Gebüsch zwischen den Feldern richtig Spaß.
Auf den weiteren 500 km bis Mikolaiv gab es an meinem Weg nur noch drei kleine Städtchen: Das aufstrebende Savran, das verschlafene Vradiivka und das geschäftige, saubere kleine Zentrum Mikolaivka (ich kam dabei durch den westlicheren der beiden Orte gleichen Namens). Ansonsten gab es in der weiten Landschaft mit den riesigen Feldern nur wenige weit auseinanderliegende Dörfer. Die Dörfer mit ihren kleinen frisch gestrichenen Häuschen sind ordentlich und sauber, wirken aber etwas rückständig. Einige Male erinnerten mich die Dörfer an meine Fahrten durch ländliche Gegenden Deutschlands Mitte der 50er. Später, als ich schon fast in Mikolaiv war, erzählten mir Einheimische, die ein ordentliches Schulenglisch sprachen, in dem Gebiet um Mikolaivka das seien "die Deutschen". Ich hatte davon aber nichts gemerkt, auch nicht in dem gepflegten Gasthof und bei den freundlichen Menschen in der hübschen Kleinstadt Mikolaivka.
Viel Auf und Ab Auf den ersten 200 km hinter Cernivci geht es außerhalb der hier noch viele km langen Straßendörfer mit ihren ordentlich hergerichteten Häuschen und Höfen viel auf und ab. Teif eingeschnittenes Dnister-Tal bei Mogiliv Podolskij Diesseits (östlich) des Flusses ist die Ukraine, jenseits (westlich) Moldavien. Entlang des Flusses gibt es weder in der Ukraine noch in Moldavien eine durchgehende Talstraße. Leider. Zufallsbekanntschaft bei einer Rast in Tartuk Immer wieder mal machte ich eine kleine Pause in einer am Weg liegenden Kafe-Bar (so schreibt man das hier). Nach anfänglicher Zurückhaltung sind die Leute dann meist sehr herzlich. Zwar spricht kaum jemand Deutsch oder Englisch. Trotzdem ist die Verständigung gut möglich. Markt in Krive Ozero In den kleinen Land-Städtchen (besser gesagt größeren Dörfern) gibt es wie früher bei uns einmal wöchentlich einen Markttag, an dem man dann alles kaufen kann: Ferkel, Kälber, Schuhe, Baustoffe, Kleider, ... Frühmorgens am Dorfrand Frühmorgens treiben viele Dorfbewohner bevor sie zur Arbeit fahren ihre ein oder zwei Kühe an den Rand des Dorfes. Dort werden die Kühe für den Lauf des Tages an langen Leinen angepflockt. Einzelne, meist ältere Leute aus dem Dorf übernehmen tagsüber die Aufsicht. Dörfliche Idylle? Die kleinen Nebenstraßen durch abgelegene Dörfer sind oft sehr schlecht. Trotzdem hat die Ruhe dort ihren eigenen Reiz. Die Häuser sind alle sauber und frisch gestrichen, die Leute grüßen freundlich. Irgendwann erinnerte ich mich plötzlich am meine ersten Radtouren durch abgelegene Dörfer in Franken Mitte der 50er. Typische ukrainische Landstraße So ähnlich sehen die Landstraßen in der Ukraine meistens aus: Überwiegend ist der Belag akzeptabel, nur manchmal gibt es sehr schlechte Stücke mit vielen tiefen Schlaglöchern. Meistens ist die Fahrbahn breit mit zusätzlichem, breitem Bankett und das Ganze wird beiderseits begleitet von einer endlosen Kette von Bäumen und Sträuchern. Der Abstand der Bäume zur Straße ist dabei leider immer so groß, dass sie der Radwanderer nicht als Schattenspender nutzt kann. Weide für das Vieh der Dorfbewohner Wenn auf den breiten Streifen zwischen der Straße und den Feldern weidendes Vieh auftaucht, ist es bis zum nächsten Dorf nicht mehr weit. Mikolaiv Etwa 20 km bevor der Bug ins Schwarze Meer mündet, liegt auf den Hügeln an seinem Ufer die erste größere Stadt seit Cernivci: Mikolaiv. Die Stadt ist nicht hässlich, recht geschäftig und sie ist erfolgreich dabei, die Altlasten jahrzehntelangen Niedergangs während der kommunistischen Zeit zu überwinden. Viele jüngere Leute bauen hier Gewerbebetriebe der unterschiedlichsten Art auf - oft mit erkennbar knappem Kapital und vermutlich auch mit begrenzten Fachkenntnissen, aber mit enormem persönlichem Einsatz.
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