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Novorossijsk/RUS bis Samsun/TR

Novorossijsk - Sotschi/RUS - Batumi/GEO - Samsun/TR

(24. Mai bis 04. Juni 2003, 1.037 km)

Hinter Novorossijsk fängt die russische Riviera am Schwarzen Meer erst richtig an. Von den schneebedeckten 4.000ern des Kaukasus sieht man nichts, wenn man auf der Küstenstraße weiterfährt. Die Berge an der Küste gehen höchstens bis zu 1.000 Meter. Sie sind dicht bewaldet. Viele Täler mit klaren Gebirgs­flüssen münden ins Meer. Entsprechend pendelt die Straße ständig zwischen 10 m und 200 m Meereshöhe.

In Georgien ist das Land an der Küste, abgesehen von den Grenzregionen im Norden und Süden, flach. Alles noch weitgehend heile Natur, aber auch sehr unterentwickelt.

Die Straße an der türkischen Schwarzmeerküste verläuft auf den ersten 400 km wieder am Fuß eines Küstengebirges. Man bleibt dabei allerdings bis Samsun fast immer nur wenige Meter über dem Meer. Die anstrengende Kletterei entfällt somit auf den ersten 400 km der türkischen Küstenstraße bis Samsun meistens.


Küstenstraße am Kaukasus Küstenstraße an der russischen Schwarzmeerküste

Viel sattgrüne Natur an der russischen Kaukasusküste. Nur hin und wieder einige Dörfer und dazwischen einige aufstrebende Seebäder (Anapa, Gelendschik, Tuapse, Lasarevskoe). In den Zentren dieser Orte und am Strand ist schon vieles neu errichtet oder großzügig und geschmackvoll renoviert. Wenn man bereit ist, über die vielen maroden Überbleibsel aus kommunistischer Zeit in den Randbezirken dieser kleinen Städte hinwegzusehen, kann man hier gut und preiswert Urlaub machen. Essen und Getränke kosten etwa ein Drittel von dem, was in Deutschland zu zahlen ist. Der Aufenthalt in großen komfortablen Hotels ist nicht viel billiger als bei uns. Mancherorts gibt es aber auch preiswerte Privatzimmer.


Sotschi, Hauptstadt der Region Sotschi, Hauptstadt der Region

Sotschi ist eine sehr grüne Großstadt mit schätzungs­weise 400.000 Ein­wohnern. In den Tälern west­lich des Stadt­zen­trums sieht man et­li­che Ge­wer­be­be­trie­be. Im Zen­trum selbst kommt man an zwei großen Märk­ten vor­bei, wo man alles kaufen kann: Badewannen und Baustoffe, Blumen, Bücher, modi­sche Tex­ti­lien und Schuhe, Koffer und Taschen usw. Von dem Käufer­an­drang hier können die Kauf­häu­ser in Deutsch­land nur träu­men. In der Umge­bung der sehr attrak­tiven und his­to­risch bedeu­ten­den Hafen­ge­bäu­de und weiter östlich be­fin­den sich in groß­zü­gigen und ge­pfleg­ten Parks mit viel Blumen­schmuck Theater, Restau­rants, mehrere große Hotels sowie ver­schie­de­ne Mini­ste­rien und Uni­ver­si­tä­ten. Und alles sprüht vor Leben. Ein Besuch dieser Stadt lohnt sich bestimmt, obwohl sie ei­gent­lich am Ende der Welt liegt. Um hierher zu gelangen, muss man entweder von Westen her viele Km auf der kurven­rei­chen Küs­ten­stra­ße zwischen der Schwarz­meer­küs­te und der 4000 m hohen Mauer des Kaukasus fahren oder eine der große Fähren nehmen, die mehrmals in der Woche von Istanbul oder Trabzon hierher gehen.

Man kann eventuell auch mit der Bahn anreisen, die mit vielen großartigen Ausblicken entlang der gebirgigen Küste hierher führt, oder über den großen Ver­kehrs­flug­ha­fen von Sotschi. Er liegt 30 km weiter östlich bei der Stadt Adler, 10 km vor der Grenze nach Georgien bzw. Avkasien. Erst dort gibt es einen Streifen flachen Landes zwischen Gebirge und Meer, der einen Verkehrsflugplatz zulässt. 10 Km hinter Adler an der Grenze zu Georgien bzw. Avkasien ist die Welt dann allerdings wirklich zu Ende. Die Straße hinüber nach avkasisch-Georgien ist gesperrt und die Bahnlinie stillgelegt.


Tragflächenboot nach Georgien Unfreiwillige Seereise

Auch für mich war an der Grenze nach Georgien zunächst mal Schluss. Die russischen Grenzer ließen mich nicht über die Grenze. Ich hielt das Ganze anfangs für einen üblen Scherz. Aber sie blieben hart. Also die 40 km zurück nach Sotschi. Vielleicht kann man da über eine höhere Behörde oder das Konsulat was erreichen? Nach vielem Rumfragen erfuhr ich schließlich, dass in Avkasien (das ist der Landstrich hinter der Grenze) die Zugehörigkeit zu Georgien bestritten und dement­sprechend mein Visum nicht anerkannt wird. Ich müsste damit rechnen, als illegal zu gelten, was bedeutet, dass man mir alles wegnimmt und mich ausweist. Blieb also nur der Weg übers Meer nach Pot, dem nächsten erreich­baren Hafen in Georgien. Die Überfahrt war nicht billig (35 Euro für mich und 30 Euro fürs Rad mit Gepäck) und auch nur 2mal wöchentlich möglich. Glück im Unglück: Noch am gleichen Abend saß ich in dem Tragflächenboot, das kurz darauf mit viel Getöse und harten Bewegungen übers Meer brauste. Das nächste Schiff wäre erst in 3 Tagen gegangen. Die Überfahrt wurde dann wegen der Gastfreundlichkeit einer Runde recht kerniger, trinkfester und sangesfroher Männer aus Georgien, Russland und der Ukraine noch zu einem beeindruckenden Erlebnis.


Schneebedeckte 4.000er des Kaukasus Schneebedeckte 4.000er des Kaukasus

Vom Wasser aus wurde noch einmal die ganze Mächtigkeit des Kaukasus sichtbar. Die anfangs noch sichtbare avkasisch-georgische Küste sah vom Meer her eigentlich nicht anders aus als die russische Kaukasusküste mit den großen Hotelpalästen bei Sotschi. Später hinter Poti merkte ich, dass die großen Hotelkomplexe in Georgien seit Jahren leerstehen und inzwischen nur noch pflanzenüberwucherte Ruinen sind - der totale Gegensatz zu Russland!


Sattes Grün und null Verkehr auf der Hauptstraße durch die georgischen Küstenebene Sattes Grün im georgischen Flachland

In Georgien ist die Entwicklung wohl gleichzeitig mit dem Ende der Zugehörigkeit zur ehemaligen Sowjetunion zusammengebrochen. Als ich um 22:30 Uhr in Poti ankam (einer Stadt mit vielleicht 70.000 Einwohnern), war alles wie ausgestorben. Die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, alle Fenster dunkel. Auch die wenigen Lampen in einzelnen Kneipen und Tante-Emma-Läden verlöschten um 23:30... Stromsperre! Am nächsten Tag erlebte ich dann sehr verkehrsarme Hauptstraßen und eine fast noch unverfälschte Natur. Die Straßen bestanden oft aber nur noch aus Schlaglöchern. In den Ortschaften wurde für die wenigen Autos hin und wieder Benzin in Flaschen angeboten. In den Ortschaften lernte ich aber auch bescheidene, freundliche und ehrliche Menschen kennen, die manchmal erstaunt waren, dass überhaupt jemand hierher kam. Einen gewissen Schock bekam ich schließlich auf den letzten 40 km vor Batumi: Alle zwei bis drei km hielten mich kleine Gruppen von Polizisten an (immer mit Streifenwagen, Waffen und Funkgeräten). Sie forderten von mir nach kurzer Kontrolle regelmäßig unverhohlen 5 bis 10 US-Dollar Schmiergeld. Das gab jedes mal viel Ärger, schließlich hatte ich ja keine Dollar-Bündel dabei und war auch nicht gewillt zu zahlen. Das Visum für Georgien hatte ohnehin schon an die 140 Euro gekostet, d.h. einiges mehr als das für die Ukraine und für Russland. Bei den hiesigen Verhältnissen sind 140 Euro fast drei Monatslöhne! Bei einem Kontrollpunkt mit festen Gebäuden kam ich erst davon, als nach längerer Streiterei zufällig ein sogenannter Chef auf Kontrollfahrt daherkam. Nach einem kurzen fröhlichen Geschäker mit dem Chef ließ man mich ziehen. Schlimm. Welcher Gegensatz zu den freundlichen und hilfsbereiten Polizisten in Russland!


Hauptstraße kurz vor Batumi... Im Hintergrund: Batumi, wichtige Hafenstadt und Zentrum der Region

Irgendwann auf den letzten 30 km vor Batumi haben sie mich dann doch noch drangekriegt, die korrupten Polizisten. Es läuft eigentlich immer gleich ab bei den Straßenkontrollen: Am Straßenrand stehen meist drei Polizisten, die einen anhalten. Im Gegensatz zu den sonstigen Zuständen in diesem Land sind sie gut ausgestattet, ordentliche Uniformen, bewaffnet und jeweils mit einem Geländewagen neuerer Bauart und stets mit mindestens einem Funkgerät. Einer verlangt die Papiere und blättert darin vorwärts und rückwärts, ein anderer durchwühlt die Lenkertasche und ein dritter fragt nach dem woher und wohin und ist scheinbar an der Reise interessiert. Bald kommt unweigerlich die Forderung nach 5 US-Dollar (natürlich ohne Quittung). Dann die ärgerliche Streiterei (schließlich hat man ja schon einiges fürs Visum hingelegt) und am Ende ist man froh, wenn man dem ganzen Durcheinander entronnen ist. Einmal merkte ich kurz nach der Kontrolle, dass sie mir die Videokamera unbemerkt aus der Lenkertasche entwendet hatten. Wiederwillig und verärgert fuhr ich zurück. Sie fanden das alles sehr lustig und rückten die Kamera auch gleich raus, wollten dafür aber zunächst mein Pfefferspray (für die Abwehr der gelegentliche Hundeattackten ein für mich inzwischen sehr wichtigs Teil) oder ein entsprechendes Lösegeld. Wieder viel Hin und Her bis ich mir schließlich die Kamera schnappte und einfach abhaute. Erst kurz vor Batumi hörte der Spuk mit den Polizei-"Kontrollen" auf. In Batumi stellte ich dann fest, dass die drei 50-Euro-Scheine, die ich als Bargeldreserve in meinem Portemonnaie hatte, entwendet worden waren. Nur ein paar kleinere Scheine und das georgisches Geld waren noch da. 150 Euro sind für die meisten Leute hier das Einkommen von zwei bis drei Monaten - sofern sie überhaupt eine Arbeit haben.

Die Bericht über die Zustände in Georgien, die ich inzwischen unter http://www.chris-on-the-bike.de/baku.htm und http://www.weltenbummler2003.de/georgien.htm gefunden habe, zeigen, dass auch andere Radtouristen mit der georgischen Straßenpolizei ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Nur die Dorfpolizisten scheinen hier vertrauenswürdig zu sein.

Irgendwann erreichte ich schließlich Batumi, eine relativ große Hafenstadt und unverkennbar Zentrum der Region. Allerdings ankerte in der weiten Bucht hier nur ein einziges Frachtschiff. Die Piers selbst waren leer und die Hafenanlagen wie ausgestorben, obwohl es weder Wochenende noch ein Feiertag war. Im Zentrum von Batumi gab es einen relativ kleinen, viel besuchten Markt mit allerlei Waren und an der hübschen Hafenbucht einige ordenliche Strandcafes, allerdings fast ohne Gäste. Die Gebäude und Straßen in Batumi sind ausnahmslos in einem ziemlich desolaten Zustand. Hier hielt mich nichts. Auf den wenigen km von Batumi bis zur türkischen Grenze wurde ich übrigens nicht mehr von Polizisten belästigt. Trotzdem war ich froh, als ich endlich den Grenzübergang zur Türkei erreicht hatte.


Grenze zur Türkei An der Grenze zur Türkei

Hinter der Bucht auf dem Bild rechts liegt schon die Türkei. An der Grenze selbst hab ich sicherheitshalber nicht fotografiert. Es gab dort auch noch mal einige Schwierigkeiten. Die georgischen Zollbeamten kassierten 5 Euro, weil ich keine Dokumente fürs Fahrrad (!) vorweisen konnte. Und einer der türkischen Grenzbeamten betrieb offensichtlich einen privaten Bummelstreik und amüsierte sich prächtig über den nur schlecht versteckten Ärger der Leute, die sich bei ihm stauten. Davon, dass ich als EU-Bürger für die Türkei kein Visum brauche, wusste der "Super"-Beamte allerdings noch nichts. Von dieser Tatsache mussten ihn erst andere türkische Grenzbeamte überzeugen.

Ich muss allerdings anmerken, dass der Grenzer, an den ich hier geraten war, eine absolute Ausnahme in der Türkei war. Alle anderen türkischen Grenzbeamten und später im Land auch die Polizisten waren höflich, hilfsbereit und stets korrekt. Der Grenzübergang zwischen Batumi und Hopa ist z.Zt. übrigens der einzige geöffnete zwischen Georgien (=Gürcistan) und der Türkei. Die Grenze zwischen Armenien (=Ermenistan) und der Türkei ist vollkommen geschlossen (Stand Juni 2003). Noch ein Hinweis: Goergisches Geld kann man nirgends mehr zurückwechseln.


hohes Küstengebirge hinter der Grenze Hohes Küstengebirge hinter der Grenze in der Türkei

Hinter der Grenze in der Türkei fühlte ich mich zuerst einmal sehr befreit. Erstklassige Straßen mit guter Asphaltdecke, blitzsaubere kleine Städte voll Geschäftigkeit und immer wieder gepflegte kleine Restaurants an der Strecke zwischen den Städtchen. In Hopa, 15 km hinter der Grenze, musste ich mich entscheiden: Entweder weiter entlang der Küste nach Westen oder in einem großen Bogen durchs ganz anders geartete bergige Steppenland bei Erzurum hinter der 400 km langen und fast 4.000 m hohen Gebirgsmauer. Die FREUNDLICHEN türkischen Grenzer hatten mir geraten, an der Küste zu bleiben. Die Straße sei dort besser und verliefe außerdem stets ohne viel Steigungen wenige Meter oberhalb des Meeres. So war es dann auch, jedenfalls bis Samsun.


Küstenstraße im Regen Küstenstraße im Regen

Die weitere Strecke war tatsächlich gut zu fahren. Auf etwa 1/3 ist sie hervorragend ausgebaut mit breitem Randstreifen. Der Rest der Strecke ist in Arbeit. Die Fertigstellung wird aber sicher noch einige Jahre dauern.


Landschaftlich schöne Küstenstraße Landschaftlich schöne Küstenstraße

Später wird es auf den alten zweispurigen Straßabschnitten ohne asfaltierten Randstreifen manchmal unangenehm, denn nach Westen hin nimmt der Verkehr bis Samsun langsam aber beständig zu. Hier wünscht man sich dann oft ein Rad mit dickeren Reifen, denn für die türkischen Kraftfahrer sind Radler eine Art Fußgänger mit Gepäck. Entsprechend wird versucht, Radfahrer mit viel Gehupe auf das unbefestigte Bankett zu scheuchen. Andererseits grüßt jeder zweite Autofahrer den fremdländischen Radtouristen begeistert mit viel Hupen. Nicht immer ist klar, was gerade gemeint ist. Insgesamt hab ich mich aber normalerweise recht wohl gefühlt unter den vielen freundlichen Menschen.


Küstenorte mit viel Leben Küstenorte mit viel Leben

Viele kleinere und größere Orte (zw. 15.000 und 80.000 Einw.) gibt es an der Küste. Die Einwohnerzahl steht fast immer auf dem Schild am Ortsanfang. So weiß man gleich, was einen erwartet. Auf den ersten 150 km sind die Hänge zwischen den Orten mit Teepflanzungen bedeckt. In jeder Ortschaft ist dann eine Teefabrik, die einen eigenartigen, angenehm würzigen Duft verbreitet. Später sind die Hänge oft von Haselnussbäumen bedeckt. In den engen Gassen der Orte herrscht fast orientalische Geschäftigkeit, aber ohne Anmache. Dabei sind alle Leute riesig nett und man wird immer wieder zum Cay (=Tee) eingeladen, ohne eigennützige Hintergedanken.


Bucht mit Sandstrand Bucht mit Sandstrand

Nicht sehr oft, aber oft genug findet man unterhalb der Straße eine kleine Sandbucht. Manchmal mit einem kleinen Restaurant dahinter. Hier für die Nacht sein Zelt aufzuschlagen wird problemlos akzeptiert. Schön wars da!


Park zwischen Hauptstraße und Strand Park zwischen Hauptstraße und Strand

In den größeren Städten (z.B. Ordu, Fats, Ünye mit jeweils knapp 100.000 Einw. und Samsun mit 380.000 Einwohnern) ist hangwärts die Stadt, dann die breite Küstenstraße und zwischen der Straße und dem Ufer ein großer Park mit Kinderspielplätzen, blumengeschmückten Cafes, Bänken und Rasenflächen. Es gibt am Anfang und Ende der Städte auch hin und wieder einige ordentliche Hotels. Der Tourismus spielt aber kaum eine Rolle. Die Preise sind moderat und man kann sich nach kurzer Eingewöhnungszeit ganz wohlfühlen hier.
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